Reife Traube der Siegerrebe
Alle Jahre wieder, wenn die Trauben reif werden, scheinen Wespen in den Weinbauregionen wahre Fressorgien zu feiern.
Besonders in Weinbergen mit früh reifenden Weintrauben, die schon zeitig im Spätsommer süß und aromatisch schmecken, sind ganze Schwärme von Wespen zu beobachen, die die leckeren Früchte anfressen und von innen her aushöhlen.
Besonders vom Wespenfraß betroffen sind bei uns die Rebsorten
Dass die Wespen einen mehr oder weniger großen Teil der Trauben und damit der Erntemenge fressen, ist nur ein Aspekt des verursachten Schadens.
Weitaus schlimmer ist die Tatsache, dass durch den Wespenfraß die Schalen der Beeren verletzt werden. Das freiliegende Fruchtfleisch ist anfällig für den Befall durch die praktisch überall vorhandenen Hefen, die eine vorzeitige Gärung innerhalb der Frucht in Gang setzen.
Der entstehende Alkohol wiederum wird durch die ebenfalls überall vorhandenen wilden Essigbakterien infiziert und zu Essig oxidiert – ein Prozess, der nicht reversibel ist und die ganze Ernte des betroffenen Weinbergs unwiderruflich verdirbt.
Nicht einmal Pflanzenschutzmaßnahmen mit Gifteinsatz könnten dauerhaft gegen Wespen helfen, da die Tiere nicht wie z.B. Blatt- oder Schildläuse stationär an ihren Wirtspflanzen sitzen. Im Gegenteil: sie kommen über weite Entfernungen, fressen sich satt und fliegen wieder ihrer Wege.
Mechanische Maßnahmen wie das Anbringen von engmaschigen Geweben behindern die Pflegearbeiten und bieten überdies bei großem Aufwand nur äußerst geringen Schutz.
Die einzige Chance, Wespen von den Trauben fernzuhalten, liegt darin, ihnen den Appetit zu verderben. Der Gedanke, mit übelschmeckenden Substanzen zu spritzen, liegt zwar nahe, ist aber wegen der nahenden Ernte auszuschließen.
Stattdessen ist eine mechanische Abwehr direkt auf den Trauben möglich, indem sie mit einem feinen Gesteinsmehl “gepudert” werden.
Handelsübliches Urgesteinsmehl ist nichts anderes als fein gemahlener Stein. Auf die Trauben aufgebracht bildet er für die Wespen eine unangenehm geröllartige Oberfläche auf der Beerenhaut, die ihnen den Appetit auf die Trauben verdirbt.
Um das Gesteinsmehl aufzubringen, ist eine besondere Ausrüstung erforderlich, der eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Puderzuckerstreuer nicht abzusprechen ist.
Der Zerstäuber wird am Traktor von dessen Hydraulik gesteuert und “pudert” über zwei höhenverstellbare Düsen die Traubenzone.
Die aufgebrachte Gesteinsmehlschicht ist so fein, dass sie mit bloßem Auge nicht erkennbar ist.
Bei der späteren Ernte verursacht das Gesteinsmehl erfreulicherweise keinerlei Probleme, da es nicht nur geschmacksneutral ist, sondern sich dank seines Gewichts im Most nach unten absetzt bzw. wie andere Trubpartikel auch bei der Flotation direkt nach dem Keltern entfernt wird.
Ein höchst unfreiwilliger Selbstversuch – ein Wespenstich am Daumen – brachte der Autorin eine erstaunliche Erfahrung:
Statt wie gewohnt zu kühlen und den Stich mit allerlei Mittelchen zu behandeln, folgte sie der ungewöhnlichen Empfehlung, den Stich mit Hitze zu behandeln, da das Insektengift – eine Eiweißverbindung – bei Hitzeeinwirkung von über 42 Grad zerstört werde.
Ein Bad des Stichs in zunächst warmem, später immer heißer werdendem Wasser war zwar unangenehm, nahm aber nicht nur den Juckreiz, sondern ließ die dick geschwollene Hand innerhalb weniger Stunden abschwellen und die Rötung verschwinden.